Bernd Alois Zimmermann

Bernd Alois Zimmermann

Bernd Alois Zimmermann

zum 80. Geburtstag

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Ich bin nie Schüler von Bernd Alois Zimmermann gewesen.

Aber Bernd Alois Zimmermann ist mein Lehrer gewesen;

vielleicht der wichtigste.

Wenn es stimmt, daß für einen Menschen die ersten beiden Lebensjahre diejenigen sind, die für seine spätere Persönlichkeit besonders prägend sind, warum sollte dies nicht auch für den künstlerischen Bereich gelten?!

Ich kann dies jedenfalls für mich behaupten.

Und im Rückblick betrachte ich es als eine besondere Fügung, daß ich in dem Moment, wo ich begriff, daß Komponieren mehr als der spielerische Umgang mit Tönen bedeutet, auf die Musik von Bernd Alois Zimmermann gestoßen bin.

Ich war damals etwa 13 oder 14 Jahre alt.

Sicherlich habe ich in meinen jungen Jahren noch gar nicht umfassend begreifen können, was seine Musik und sein musikalisches Weltbild ausmachen, aber schon damals teilte sich doch ganz instinktiv und intuitiv etwas mit - nur über das, was meine Ohren hörten - , was ich zwar nicht benennen konnte, das mich aber fortan nicht mehr losgelassen hat.

Und mit 15 Jahren stand für mich fest: bei Bernd Alois Zimmermann möchte ich möglichst bald studieren.

Ich erinnere mich noch heute genau an die Situation, als ich wenig später von seinem überraschenden Freitod in den Rundfunknachrichten erfuhr: es war mir, als wäre mir ein Vater gestorben.

Aber er konnte mir doch weiterhin geistiger Vater bleiben, der meinen eigenen Weg allein durch die Existenz seiner Musik begleitete.

Wie auch später bei anderen Komponisten, deren Musik mir wichtig wurde, habe ich bei ihm durch das Studium der Partituren mehr für die eigene Arbeit gelernt als bei den Komponisten, bei denen ich als Student eingeschrieben war.

Der Schock, den bei mir die erste Begegnung mit den Orchesterskizzen „Stille und Umkehr” oder  mit der ekklesiastischen Aktion „Ich wandte mich...” auslöste, war nachhaltig.

Diese Musik wird für immer Bestand haben, sie ist zeitlos.

Sie ist keine narzistische Nabelschau und auch kein in sich selbst verliebter Entwurf strukturellen Denkens und handwerklichen Könnens, sie benennt das, was die Wurzeln menschlicher Existenz berührt und betrifft.

Diese Musik ist zutiefst authentisch, deshalb ist ihre Sprache auch nicht kopierbar.

Wie alle große Musik kann sie keine Schule machen.

Und doch kann sie auf folgende Generationen einwirken.

Meine Musik klingt anders als die von Bernd Alois Zimmermann. Natürlich!

Aber doch ist sie ihr verwandt, der geistigen Haltung von Bernd Alois Zimmermann verpflichtet.

Leider ist eine persönliche Begegnung nie zustande gekommen; dennoch habe ich immer wieder das Gefühl eines sehr persönlichen Dialogs mit Zimmermann, wenn ich seine Musik höre, studiere oder spiele.

Vielleicht ist es möglich, etwas davon zu ahnen, wenn man meine Musik hört.

Entfernt, aber doch deutlich vernehmbar klingt seine Stimme in meinen Tönen mit.

Das musikalische „Elternhaus” habe ich verlassen, aber ich bekenne mich gerne zu ihm;

... und zu meinem musikalischen „Elternhaus” gehört Bernd Alois Zimmermann.

 

© 1998 Michael Denhoff

 

 

 

siehe auch:

Stille und Umkehr – Betrachtungen zum Phänomen Zeit (1983)

 

 

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