Musik für Laien oder Musik für Kinder?

 

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Gott sei Dank gibt es sie: die Laien, die Musikenthusiasten, die nicht professionellen Musiker, die oft mit viel größerer Liebe, Begeisterung und Engagement Musik machen als die "Kollegen" von der gewerkschaftlich organisierten Zunft. Ich denke hier vor allem an die zahllosen Laienorchester, von den kleinen Musikschulorchestern, den vielen ‚Collegia Musica’ bis hin zu den vom Deutschen Musikrat geförderten Jugendorchestern (BJO und LJO). Daß gerade von den letztgenannten ein ganz erstaunliches Niveau erreicht wird und dabei Aufführungen und Schallplatteneinspielungen mit den großen Werken gerade auch der neueren und neuesten Musik zustande kommen, die den Vergleich mit vielen Berufsorchestern nicht scheuen brauchen, mag beispielhaft beleuchten, wo heute die sogenannte Laienmusik stehen kann! Die technische Perfektion und musikalische Ausstrahlung dieser jungen Musiker müßte manchen "Orchesterbeamten" vor Neid erblassen lassen!

Es stellt sich, glaube ich, die grundsätzliche Frage: was ist Musik für Laien? Und was ist gar Hausmusik? Natürlich, es gibt technisch leichtere und schwerere Musik, was nicht gleichbedeutend mit leicht oder schwer faßlich sein muß. Und selbstverständlich gibt es unterschiedliche Grenzen des Erreichbaren für den der Musik macht, egal ob Laie oder Profi. Entscheidend ist die grundsätzliche Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Neuer Musik, und die scheint mir bei Berufsmusikern nicht größer zu sein als bei Laien. Ich glaube, es ist falsch gedacht, daß nur sehr leicht spielbare Neue Musik die Scheu vor der Beschäftigung mit ihr abbauen helfen könne Auch ein Laie will zunächst einmal gute Musik spielen, er muß nur entdecken, daß solche auch heute geschrieben wird.

Wenn bei der Anfrage von MUSICA zum Thema "Hausmusik - Musik für Laien" behauptet wird, es habe sich auf diesem Gebiet seit Bartók wenig oder nichts getan, so habe ich den Verdacht, hier wird die Frage nach „Musik für Laien" mit der Frage nach „Musik für Kinder" verwechselt. Und da ist in der Tat manche speziell für Kinder geschriebene Musik dümmlich und kindisch; man unterschätzt die geistigen Fähigkeiten der Kinder! Auch die vielen unverbindlich daherplätschernden Spielmusiken im nach-hindemith'schen Stil sind nicht dazu angetan, Kinder und erwachsene Laien für Neue Musik zu interessieren oder gar zu begeistern, weil sie nicht nur technisch, sondern meist auch geistig extrem anspruchslos sind.

Kein ernstzunehmender Komponist schreibt Hausmusik, trotzdem kann fast alle Musik zu Hause gespielt werden. Wenn behauptet wird, neue Musik sei technisch so enorm schwierig, so glaube ich, dies ist oft nur eine vorgeschobene Entschuldigung für das eigene Desinteresse und die eigene Lethargie. Wenn das berühmte „Stillvergnügte Streichquartett" sich an einem Beethoven- oder Brahms-Quartett versucht, hat es sicherlich auch dort mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß mittlerweile eine ganze Reihe von Laien meine Musik gespielt haben, und das auf selbst für mich überraschendem Niveau!

Die grundsätzliche Schwellenangst muß abgebaut werden, je früher desto besser! Eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe für alle Pädagogen! Doch viele Musikerzieher sind unbeweglicher als die noch unbefangenen und nicht ‚verbildeten' Kinder, für die der Begriff „Schwellenangst" ohnehin ein Fremdwort ist. Ihre unvoreingenommene Neugierde, auch für alles Neue, könnte durchaus Vorbild für erwachsene Laien sein, ja sogar für Berufsmusiker!

Was tatsächlich fehlt ist gute und anspruchsvolle Musik für Kinder (wie etwa Henzes Kinderoper "Pollicino"); ansonsten wird ein offener, neugieriger und lernwilliger Laie sicherlich einige interessante neue Literatur finden können. Wir Komponisten vergessen nur oft über den eigenen internen kompositorischen Fragestellungen und Problemen unsere jüngsten Musiker, unsere zukünftigen Zuhörer und Musikliebhaber. Wir sollten uns auch ihnen widmen! Ich hoffe es ist noch nicht zu spät....

 

© 1986 Michael Denhoff

 

 

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